Die Zörbiger Saftbahn

Frühere Entwicklung der Bahnstationen


Aufgrund der denkbar günstigen topographischen Verhältnisse im Westen des Kreises Bitterfeld konnte die 20,48 Kilometer lange Strecke innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden. Parallel zum Streckenbau begannen die Arbeiten im Bereich der Stationen Grube Antonie, Sandersdorf, Heideloh, Tannepöls (seit 1936 Großzöberitz) und Zörbig. Zum Teil entstanden massive Empfangsgebäude im preußischen Einheitsstil, wie sie auch in Hessen zu finden sind. Neben Dienst-, Gepäck- und Warteräume wurden Wohnräume für Bahnbedienstete erbaut.

Bahnhof Bitterfeld


Vorplatz des Bitterfelder Bahnhofes um 1918

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Vorplatz des Bitterfelder Bahnhofes um 1918


Bahnhof Bitterfeld um 1925. Das Motiv zierte eine Postkarte mit einem Poststempel vom 19.05.1925.

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Bahnhof Bitterfeld um 1925. Das Motiv zierte eine Postkarte mit einem Poststempel vom 19.05.1925.


Haltepunkt Grube Antonie

Bereits im Jahre 1910 benutzen diesen Haltepunkt 60.000 Fahrgäste, die fast ausnahmslos in den naheliegenden Werken arbeiteten. Der Sonn- und Feiertagsverkehr war hier bedeutungslos. Ein Wärter bediente die Schranke des sonst unbesetzten Haltepunks. In der Nähe begann je ein Anschlussgleis zur Braunkohlegrube "Hermine" und zu einem Industriebetrieb. Das dafür zuständige Stellwerk verlegte man 1918 in den Bereich des Haltepunktes, so dass die Schranke von dort aus betätigt werden konnte.

Bahnhof Sandersdorf

Die Haltestelle Sandersdorf wurde bereits 1899 erweitert, da der Güterverkehr ständig anstieg. Hier begannen nicht nur die Anschlussgleise zu den Gruben "Carl Ferdinand" und "Vergißmeinicht" sondern auch die Zweiggleise zur Bitterfelder Louisengrube AG, der Grube "Richard" und der Grube "Erich". Im Zusammenhang mit der Gleiserweiterung verschob man die Weichenstraße in Richtung Westen. Im Jahre 1901 wurde das Empfangsgebäude mit einem Kostenaufwand von 6.000 Mark umgebaut, um Platz für größere Dienst- und Warteräume und eine erweiterte Dienstwohnung zu schaffen. Etwa zeitgleich erhielt Sandersdorf den Status eines Bahnhofs. Dennoch musste das Haltesignal für die Züge vor der Einfahrt bei Bedarf noch mit einer roten Fahne gegeben werden. Während der Bahnhof Zörbig schon damals über Einfahrsignale verfügte, wurden sie für Sandersdorf nun erst beantragt. 1903 nahm in Sandersdorf eine Mostfabrik ihre Produktion auf, fortan waren täglich über 100 Eimer Saft als Stückgut abzufertigen, die im Güterschuppen zwischengelagert werden mussten. Noch im selben Jahr wurde eine Fahrrad-Großhandlung eröffnet, so dass zusätzlich Fahrräder  empfangen und versenden wurden.

Schließlich richteten die Staatseinsenbahnen 1913 in Sandersdorf eine Bahnmeisterei ein. Wegen unzureichender Wohnverhältnisse verließen jedoch viele Bahnunterhaltungsarbeiter den Ort und zogen nach Zörbig. Mussten nun Arbeiten im Bereich "Grube Antonie" verrichtet werden, war das Personal nicht ohne weiteres verfügbar. Der Sandersdorfer Bahnhofsvorsteher beantragte deshalb 1920 im Ort ein oder zwei Häuser zu errichten. Die Direktion Halle/Saale genehmigte den Bau eines Vierfamilienhauses, das im Mai 1922 bezugsfertig war.

1950 galt der Kohlenbahnhof Sandersdorf als Dienststelle der Rangklasse III und als Zugbildungsbahnhof. Von hier fuhren in Richtung Dessau täglich ein Kohlenzug, in Richtung Bitterfeld zwei Übergabe-Kohlenzüge und in Richtung Halle/Trotha ein weiterer Kohlenzug.

Güterzüge, die im Jahre 1903 den Bahnhof Sandersdorf bedienten
Zug - Nr. Fahrten pro Monat höchste Achszahl Ankunft
8510 11 120 3.11 Uhr
8510 11 120 4.43 Uhr (Mo -Fr)
8510 11 120 3.42 Uhr (So.)
8500 11 110 5.18 Uhr
8504 9 120 8.25 Uhr
8550 13 120 9.38 Uhr
8512 10 104 14.37 Uhr
8508 11 102 15.40 Uhr
Legende: So = Sonntag, Mo - Sa = Montag bis Sonnabend

Haltepunkt Heideloh


Haltepunkt Heideloh mit seiner Wartehalle um 1904.

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Haltepunkt Heideloh mit seiner Wartehalle um 1904.

Die Station Heideloh war von Anfang an ein Haltepunkt. Das dortige Wartehäuschen wurde während des Zweiten Weltkrieges stark beschädigt. In einem Schreiben vom 25. April 1949 forderte die dortige Ortsgruppe die Reichsbahndirektion Halle/Saale auf, die gesamten Bahnanlagen in einen sauberen und ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. Es handelte sich dabei um das Aufräumen der Bahnhöfe, die Beseitigung des Schmutzes, des Schuttes und der umherliegenden Trümmerreste. Außerdem bat die Ortsgruppe das Stationshaus instand zusetzen. Entsprechend den finanziellen und materiellen Möglichkeiten ließ die Deutsche Reichsbahn in Heideloh 1950 eine neue, aber relativ kleine Wartehalle errichten.

Haltepunkt Tannepöls (ab 1936 Großzöberitz)


Postkarte von Tannepöls, um 1904. Links unten der Bahnhof mit einem Personenzug

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Postkarte von Tannepöls, um 1904.
Links unten der Bahnhof mit einem Personenzug

Auf der ehemaligen Station Tannepöls wurde der erste Eisenbahnzug feierlich empfangen. Den Vertretern der Aufsichtsbehörden wurden Blumen übergeben, und Ehrenjungfrauen trugen ein Festgedicht vor. Die erste Fahrkarte kaufte der in Tannepöls ansässige Gutsbesitzer Woltemar Schlemmer.

Im Jahre 1924 wurde die Ladestraße für den gestiegenen Rübenumschlag mit einem Kostenaufwand von 9.500 Mark erweitert. Nach einem großen Feuer wurden die unweit des Bahnhofes gelegenen Orte Tannepöls, Zöberitz und Möhlau am 1. Dezember 1936 zur Gemeinde Großzöberitz vereinigt. Seitdem führt die Station diesen Namen. Ab Ende der fünfziger Jahre nahm der Wagenladungsverkehr ständig ab, so dass die Deutsche Reichsbahn den Güterverkehr 1963 endgültig einstellte. Schließlich wurde die Haltestelle 1967 in einen unbesetzten Haltepunkt umgewandelt.

Bahnhof Zörbig


Fertiggestellter Bahnhof Zörbig, mit kurzer Güterhalle im rechten Bildrand. Die Aufnahme entstand von der Bahnsteigseite her.

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Fertiggestellter Bahnhof Zörbig, mit kurzer Güterhalle im rechten Bildrand.
Die Aufnahme entstand von der Bahnsteigseite her.

Der Bahnhof Zörbig war die bedeutendste Unterwegsstation der Strecke Bitterfeld - Stumsdorf. Neben einem Bahnhofsgebäude und einem Güterschuppen entstand hier ein Beamtenwohnhaus. Ein Ladegleis wurde ab 1898 für den Güterumschlag zwischen der Normal- und Schmalspurbahn genutzt. Durch den gestiegenen Güterverkehr auf der Strecke beantragte die königliche Eisenbahndirektion am 07. Oktober 1905 ein weiteres Freiladegleis für den Bahnhof. Im Jahre 1910 kam das direkt von der Dessau - Radegast - Köthener Bahn in den Normalspurbahnhof einmündende Dreischienengleis hinzu. Die Pflasterung des Bahnhofsvorplatzes konnte erst 1912 abgeschlossen werden. Die dafür notwendigen Plaster- und Bordsteine lieferte die Gesellschaft für Porphyr-Industrie GmbH Löbejün, die Mosaiksteine der Steinbruchbesitzer Naumann in Trebitz und den erforderlichen Kies die Eisenbahn.

Im Empfangsgebäude etablierte sich am 3. November 1897 in einem Dienstzimmer die kaiserliche Reichspost. Sie musste jedoch 1902 den Raum auf Wunsch der Eisenbahn aufgeben und residierte fortan ausschließlich in einem bereits seit 1898 gepachteten Zimmer eines naheliegenden Hauses. Für die Bahnhofsgaststätte vollendete man 1898 den Bierkeller und die Küche. Die Wartesäle waren für die I. / II. und IV. Klasse eingerichtet.

Schrankenwärter in der Zörbiger Victor-Blüthgen-Straße.

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Schrankenwärter in der Zörbiger Victor-Blüthgen-Straße.

An der Finanzierung der Strecke Bitterfeld - Stumsdorf war auch die Zuckerfabrik Zörbig beteiligt. Sie überwies der Stadt Zörbig Grunderwerbskosten in Höhe von 25.000 Mark. Mit dem Bahnbau erhielt die Zuckerfabrik ein eigenes Anschlussgleis, das vorzugsweise zur Abfuhr der Rübenprodukte diente. Darunter befanden sich stets größeren Mengen Rübensaft. Diese Transporte sollten bald zu einem Markenzeichen der Nebenbahn Bitterfeld - Stumsdorf werden und führten schließlich zur inoffiziellen Einführung des bis heute verwendeten Spitznamens

"S a f t b a h n"

Um den begrenzten Wasservorrat der anfänglich genutzten Lokomotiven der Gattung T 3 zu gewährleisten - das hier vorhandene Grundwasser eignete sich dafür nicht -, war auf dem Bahnhof Zörbig bis 1904 ein Wasserwagen beheimatet. Vier Jahre später ließ die KED Halle/Saale einen sogenannten Hilfswasserturm errichten. Das mit Schiefer gedeckte Bauwerk errichtete die Maschinenfabrik August Klönne. Gleich nach Inbetriebnahme des Wasserturms beantragte der Bahnhofsbesitzer Paul Herold im Jahre 1909 den Bau einer Wasserleitung bis in sein Restaurant. Bis dahin mussten täglich 50 bis 60 Eimer Wasser in die Wirtschaft getragen werden. Für einen Kubikmeter Leitungswasser musste der Gastwirt 22 Pfennige zahlen.

Blick auf die Gleisanlagen des Zörbiger Bahnhofes, im Jahre 1953. Unweit des Bahnhofes stand zu dieser Zeit noch der Wasserturm.

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Blick auf die Gleisanlagen des Zörbiger Bahnhofes, im Jahre 1953.
Unweit des Bahnhofes stand zu dieser Zeit noch der Wasserturm.

Im Jahre 1904 wurden auf dem Bahnhof Zörbig durchschnittlich 11,78 Tonnen Stückgüter umgeschlagen. Mit Inbetriebnahme der Zörbiger Kandisfabrik im Jahre 1905 stieg das Stückgutaufkommen weiter an, so dass die KED Halle/Saale den Güterschuppen für 13.000 Mark ausbauen ließ. Doch nicht nur die Leistungen im Güterverkehr stiegen kontinuierlich an. Gleiches traf für den Reiseverkehr zu. Allerdings hielt sich das Umsteigeaufkommen zwischen DRKB und Staatsbahn in Grenzen.

Im Interesse einer höheren Sicherheit stattete man den Bahnhof Zörbig 1918 mit Bahnsteigsperren aus, da vor allem Jugendliche trotz Mahnung der Eisenbahner immer wieder die Gleise betraten. Von 1920 bis 1922 wurde der Dachboden des Empfangsgebäudes zur Unterbringung von zusätzlichen Bahnpersonal ausgebaut.

Zörbiger Bahnhof im Jahre 1938. Es ist deutlich zu erkennen, das der Güterschuppen erweitert wurde. Auch ein Kran, für den Warenumschlag, war damals vorhanden.

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Zörbiger Bahnhof im Jahre 1938. Es ist deutlich zu erkennen, das der Güterschuppen erweitert wurde. Auch ein Kran, für den Warenumschlag, war damals vorhanden.

Ab Mitte der zwanziger Jahre erreichte der Güterverkehr in Zörbig Rekordzahlen. Schon 1926 wurden auf diesen Bahnhof allein in Wagenladungen 39.343 Tonnen Gut empfangen und 26.644 Tonnen Gut versandt. In den dreißiger Jahren stieg das Aufkommen weiter an und erreichte nach dem Zweiten Weltkrieg erneut Höhepunkte. Bereits im Dezember 1945 versandte die Zuckerfabrik Zörbig wieder Rübenzucker, der unter anderem nach Dresden, Görlitz, Oberoderwitz, Radebeul, Reichenbach und Wilkau-Haßlau verfrachtet wurde.

Güterverkehr in Zörbig


Jahr Wagengüterverkehr Tierbeförderung
  Empfang Versand Empfang Versand
1898 47.860 16.818 1.116 1.120
1902 65.840 18.857 3.706 902
1908 70.553 25.321 2.131 1.500
1912 85.235 30.742 1.189 2.375
1926 41.643 29.331 1.789 984
1934 65.554 31.194 - -
1936 68.132 34.140 - -

Bahnhof Stumsdorf


Stumsdorfer Bahnhof um 1903. Der Wasserturm gehörte damals noch zum täglichen Bahnhofsbild.

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Stumsdorfer Bahnhof um 1903. Der Wasserturm gehörte damals noch zum täglichen Bahnhofsbild.

Vermutlich auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden Inbetriebnahme der Nebenbahn nach Bitterfeld kauften die Preußischen Staatseisenbahnen zwischen 1896 und 1897 ein neben dem Bahnhof befindliches 1,6488  Hektar großes Grundstück für 19.143 Mark und errichtete hier ein neues Bahnhofsgebäude.

Im Jahre 1899 erhielt Stumsdorf für den örtlichen Ladungsverkehr einen Güterschuppen, der auf einer zuvor für 5.630 Mark erworbenen und 0,4878 Hektar großen Fläche entstand. Für die nunmehr dringend notwendige Erweiterung der Gleisanlagen und der Sicherungstechnik wurden außerdem 59.000 Mark zur Verfügung gestellt. Eingerichtet wurden unter anderem zwei weitere Bahnsteiggleise. Um 1900 waren auf dem Bahnhof neben einem Vorsteher ein Assistent, zwei Diätere, ein Stationsgehilfe, ein Hilfslademeister und ein Bahnhilfsarbeiter beschäftigt.

Ende des 19. Jahrhunderts reichte der Bahnhofsvorplatz nicht mehr aus, um von Gespannen genutzt werden zu können. Somit mussten die auf ein Fuhrwerk wartenden Fahrgäste fast immer "auf der schmutzigen Dorfstraße" stehen. Am 1. April 1903 erwarben die Preußischen Staatseisenbahnen in Stumsdorf ein 0,22 Hektar großes Grundstück für 2.262 Mark. Es ist anzunehmen, das auf dieser Fläche der Bahnhofsvorplatz entstand. Um die Bildung und Auflösung von Güterzügen zu erleichtern, erhielt Stumsdorf noch im gleichen Jahr einen sogenannten Rangierberg.

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